Mitte des 18. Jahrhunderts erwies sich die Schafzucht hierzulande als sichere Einnahmequelle, um die Familie zu ernähren. So betrieben auch ein Mann und eine Frau aus Weiler eine immer größer werdende Schafsherde. Für Ihre starken Schafböcke waren sie in der Region bestens bekannt. Eines Tages aber ereignete sich ein tragischer Unfall auf dem Hof des Ehepaares, welcher sich mitten im Dorf befand. Beim Eintreiben der Herde geriet ein Schafbock außer Kontrolle und rammte den Schafbauer auf grausame Art und Weise zu Tode. Man sagt, ein seltsames Geräusch habe den Schafbock zu dieser Tat gezwungen. Das ganze Dorf trauerte um den geliebten Schafsbesitzer. Auf diese Tragödie hin tötete die Witwe den Schafbock eigenhändig im Beisein vieler Dorfbewohner. Starr vor Schreck mussten die Menschen beobachten, wie das Blut des Bockes der Frau direkt ins Gesicht spritze. Sie schrie so laut, dass alle Dorfbewohner vor Angst den Ort des Schreckens verließen. Von diesem Moment an veränderte sich die bis dahin von allen betrauerte Witwe. Sie ließ Ihre Schafherde regelrecht verhungern und kümmerte sich nicht mehr um den Hof und auch um sich selber. Sie wurde sehr schnell alt und faltig. War ein Schaf dem Tode nahe, so schlachtete sie das Tier am Dorfbrunnen derart grausam, dass das Blut in Strömen die Wege entlang floss. Die Dorfbewohner fürchteten sich immer mehr und verbannten die alte Witwe mit Schwertern, Fackeln und lautem Geschrei aus dem Dorf. Von nun an hauste sie mit Ihren mageren, kranken Schafen in einer alten Hütte im Birkwald. Keiner traute sich in die Nähe der grausamen Frau. Über Jahre hinweg fanden die Dorfbewohner aus Weiler immer wieder verhungerte Schafe mit abgehacktem Kopf auf ihren Feldern und Äckern. Doch eines Nachts geschah etwas Ungewöhnliches. Der pralle Vollmond, der wunderschön den Birkwald erfasste, verschwand plötzlich in der Dunkelheit und ein lauter Donnerschlag ertönte über Weiler. Jeder Dorfbewohner wurde aus dem Schlaf gerissen. Es begann fürchterlich an zu regnen, der Wind pfiff unerträglich um die Ecken, gefolgt von einem Erdbeben. Plötzlich war es still. Man konnte eine Stecknadel fallen hören. Die Dorfbewohner schauten ängstlich aus dem Fenster. Der Vollmond trat wieder hervor und strahlte sein Licht gebündelt auf den Birkwald, auf die Hütte der alten Frau. Die Stille war unheimlich. Aus dem Nichts konnte man das Heulen eines Wolfs hören. Der Wind zog wieder auf und aus dem Birkwald ertönte ein lauter Schrei, wie damals, als die alte Frau das Blut in ihr Gesicht gespritzt bekam. Wer oder was lachte und kicherte da nur? Es war wieder still, als ob nichts gewesen wäre. Die Dorfbewohner atmeten auf, kamen aber kaum noch in den Schlaf. Im Morgengrauen des darauffolgenden Tages sprachen sich die ältesten Dorfbewohner ab, was zu tun sei. Man beschloss, die mutigsten Männer in den Birkwald zu senden, um nachzusehen, was genau in der Nacht zuvor geschah. Der Nebel erschwerte die Sicht der Späher. Langsam und vorsichtig schritten sie voran. Man konnte deutlich den Herzschlag der Männer hören. Aber plötzlich war auf dem Weg etwas zu sehen. Voller Entsetzen endeckten die Männer den Kopf der alten Frau, aber vom Körper war weit und breit nichts zu sehen. Bis heute bleibt es ein Rätsel, wo der Körper der alten Frau verblieb. Augenzeugen nach konnte man in Nächten, wo der Mond am hellsten schien und der Schatten des größten Baumes im Birkwald die Stelle kreuzte, an der der körperlose Kopf der alten Frau gefunden wurde, eine kopflose Gestalt, begleitet von lautem Gekicher sehen, wie er den Weg entlang ritt. War das die alte Frau? Keiner hatte eine Antwort auf diese Frage. Noch heute, wenn in Weiler der Wind weht und der Mond mit seinem prallen Licht den Birkwald erleuchtet, kann man leises Gekicher wahrnehmen, aber bis heute traute sich niemand mehr bei Vollmond und Wind in den Birkwald.